Nein, ich meine nicht so eine Maske, wie sie Zorro oder andere Helden tragen, obwohl es doch eine Gemeinsamkeit gibt: Die Maske soll uns als besseren Menschen zeigen. Wir meinen, die Maske zu brauchen, um gewisse Aufgaben oder gar den Alltag bewältigen zu können.
So ging es mir zumindest. Ich geb’s zu.
Warum ich keine Maske mehr aufsetzen will, erfährst Du in diesem sehr persönlichen Beitrag. Ich mache mich nackt vor Dir. Und natürlich bin ich nervös, was die Reaktionen angeht.
Inhaltsverzeichnis
Verschmolzen mit meiner Maske
Ich habe für eine lange Zeit in meinem Leben eine Maske getragen. Diese war so gut, dass ich mir nicht mal mehr selbst dessen bewusst war.
Wobei es sicherlich schlimmere Masken gibt als jene, die ich mir angeeignet hatte:
Ich habe ständig und andauernd gelächelt.
Dies habe ich über so einen langen Zeitraum gemacht, dass ich unbewusst selbst im Schlaf gelächelt habe – wie mir berichtet wurde. Und das selbst in Phasen, in denen mich immer wieder Albträume aufweckten.
Jede Maske ist zunächst eine Überlebensstrategie
Diese Maske hatte natürlich ihre Vorteile, als ich sie mir irgendwann während meiner Kindheit oder Jugend angeeignet hatte: Ich sah stets wie das nette, brave Mädchen von nebenan aus. Menschen waren mir gegenüber in der Regel offen und zugewandt.
Der Nachteil des ständigen Lächelns
Es hatte aber auch eine Kehrseite:
Ich sendete falsche Signale und andere überschritten immer wieder meine Grenze, weil ich ihnen diese nicht aufzeigte (zumal ich mir nicht einmal selber meiner Grenze bewusst war).
Meine Mitmenschen konnten mich nicht wirklich lesen und einschätzen. Sie sahen immer nur meine Fassade. Dahinter ließ ich kaum jemanden schauen.
Und mit einer allgegenwärtigen Maske ist es eh schwierig, tiefe Verbindungen einzugehen und Nähe zuzulassen – egal, wie die Maske aussieht.
Ich wurde gezwungen, die Maske abzulegen
Ich lächelte immer weiter. So ist das mit tiefen Mustern, die schon so lange wirken. Meine Strategie, die jahrelang ihren Zweck erfüllt hatte, passte jedoch plötzlich unter den neuen Rahmenbedingungen überhaupt nicht mehr.
Mein großer Lehrer hieß CFS. Ich war schwer krank und es zog und zog sich hin. Gleichzeitig kommunizierte ich nur, dass ich mich erholte. Wie sehr ich tatsächlich litt, konnte lediglich mein Partner erahnen, der sich um mich kümmerte, mir Essen ans Bett bringen musste, weil ich nicht aufstehen konnte, der mich auf dem Weg ins Bad stützen musste, weil ich mich fühlte, als sei nur noch ein kleiner Tropfen Energie in meinem Körper vorhanden, und der in Gesprächen immer wieder Inhalte wiederholen musste, weil ich nicht mehr wusste, worum es gerade ging.
Damit mein Umfeld verstand, warum ich wieder eine Verabredung absagen musste oder wieder nicht zu einer Feier kam, obwohl ich doch seit langer Zeit nichts anderes tat, als mich zu erholen, und die Ärzte zunächst „nur“ nach und nach Erkrankungen ausschlossen (es dauerte eine Weile, bis ich meine Diagnose in der Charité erhielt), musste ich die lächelnde Maske ablegen:
„Ja, es geht mir schlecht.“
Während ich die ganze Zeit möglichst optimistisch immer wieder neuen Untersuchungen und Behandlungen entgegensah und davon überzeugt war, dass es eine vorübergehende Angelegenheit sei, musste ich zugeben:
„Jetzt geht es mir einfach nicht gut.“
Nur selten konnte ich es mir und anderen gegenüber eingestehen. Ich lernte jedoch, darüber zu reden.
Die große Überraschung
Immer häufiger ließ ich meinen Frust zu, akzeptierte ihn und zeigte, dass es mir schlecht ging. Da geschah etwas Wundervolles:
Ich fühlte mich ausgeglichener.
Es war befreiend, es zuzulassen und anderen, aber auch mir gegenüber, nicht länger vorzuspielen, ich sei die Starke. Ich lernte auch, meine verletzliche Seite zeigen zu dürfen – eine der wohl wichtigsten Lektionen, die mich CFS gelehrt hat.
Es war befreiend und zugleich ein riesiges Geschenk: Es brachte mir meinen Partner, meine engsten Familienangehörigen und meine engsten Freunde näher.
Ich begann, neue Mimiken vor dem Spiegel auszutesten, und unterbewusst integrierte ich diese scheinbar in den Alltag. Ich wurde darauf angesprochen, dass ich nicht mehr nur lächelte. Dies war Teil einer wundervollen Entwicklung: mein Weg zu einer breiten Gefühlswelt – eine so spannende und intensive Welt, die ich nie mehr missen möchte.
Lächeln ist nicht gleich lächeln
Und weißt Du, was das Beste daran ist?
Ich kann nun aus vollem Herzen strahlen und das ist nicht ansatzweise vergleichbar mit dem Lächeln meiner Maske.
Auch heute gehe ich noch häufig mit einem Lächeln durch den Alltag. Mit meiner früheren Maske hat das jedoch nichts mehr zu tun. Auf meinem Gesicht spiegeln sich nun auch viele andere Gefühle wider. Ich versuche, die unangenehmen Gefühle nicht mehr (vor mir, aber auch vor anderen) zu verbergen. Das ein oder andere Mal, muss ich gestehen, falle ich aber immer noch in dieses Muster zurück. Das ist okay, es ist ein Entwicklungsprozess, mich davon zu lösen.
Ich erlebe eine ganz andere Welt
Indem ich meine alte Maske verstauben lasse, entdecke ich parallel das facettenreiche und wundervolle Leben durch ganz neue Augen.
Neben den unangenehmen Gefühlen, die ich mir nun eingestehe, sind wundervollerweise auch noch viel mehr angenehme Gefühle dazugekommen. Mein Leben ist jetzt reicher und bunter. Ich genieße die große Entdeckungsreise namens „Leben„.
Ich habe begriffen, dass all unsere Gefühle zu uns und zu unserem Leben gehören. Wie wir mit ihnen umgehen, ist das, was zählt. Statt sie hinter einer schweren Eisentür (oder eben Maske) zu verbergen, dürfen sie nun durch die offene Tür zu mir kommen, ich heiße sie willkommen, schenke ihnen Aufmerksamkeit und das Beste ist: Sie wollen nie lange bleiben. Sie wollen gesehen und gefühlt werden und gehen dann wieder.
Wobei Gefühle wie Freude und Dankbarkeit es sich bei mir auch gerne gemütlich machen und kaum mehr gehen wollen.
Und zugleich fühle ich mich immer sicherer, zeige mich, wie ich bin, brauche keine Energie mehr dafür, mich zu verstellen, und genieße wahre Begegnungen.
Ich habe das, was ich durch meine Maske erreichen wollte, erst ohne sie bekommen.
Wie sieht Deine Superhelden-Maske aus?
Ich ermutige Dich, sie abzulegen. Zeige Dich, wie Du bist.
Das muss nicht von heute auf morgen passieren. Taste Dich langsam ran. Lege sie zunächst bei einem Menschen ab, der Dir besonders nahe steht und dem Du am meisten vertraust. Sammle positive Erfahrungen. Je mehr, desto besser, denn sie werden Dich ermutigen, dass Du Dich ohne Maske zeigen kannst.
Ich wünsche Dir ein authentisches Leben voller Gefühl!
Alles Liebe dafür
PS. Mehr über meinen Weg und was die Herausforderungen mit mir gemacht haben, verrate ich Dir hier.
Bild: Pixabay