Wie Du Deinen Handlungsspielraum vergrößerst

ChristinaAchtsamkeit & Meditation, Veränderungen & Herausforderungen meisternKommentar hinterlassen

Agieren statt reagieren

Im Laufe unseres Lebens entwickeln wir gewisse Automatismen, die uns wie auf Autopilot reagieren lassen. Das ist praktisch, denn so müssen wir nicht in jedem einzelnen Moment neu entscheiden, was wir als nächstes tun. Und unser Gehirn, das gerne Energie spart, freut sich ebenfalls. Zudem kann es in Notsituationen lebensrettend sein, nicht erst verschiedene Handlungsoptionen abzuwägen. Doch nicht immer ist ein Autopilot vorteilhaft. Vor allem in herausfordernden Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, kann bewusstes Agieren stärken und ein Gefühl von Kontrolle vermitteln. Und ist das nicht etwas, wonach wir uns in solchen Situationen besonders sehnen? 

Der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl sagte: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

Reagieren vs. Agieren – ein Beispiel aus dem Alltag

Schauen wir uns einmal an, wie wir mit Kritik umgehen können, denn für viele von uns ist das ein sensibles Thema. 

Wenn jemand in seiner Kindheit beispielsweise festgestellt hat, dass aggressives Kontern den Kritiker klein beigeben lässt, so kann unbewusst dieses Muster auch als Erwachsener fortgeführt werden. Eine andere extreme Überlebensstrategie ist es, einfach möglichst lieb zu sein und bloß nicht anzuecken. Im Erwachsenenalter ist auch dies eine Strategie, die zwischenmenschlichen Kontakt erschwert, beispielsweise, weil dieser Mensch ohne eigene Meinung für andere kaum greifbar wird.

Das sind also zwei mögliche Reaktionsmuster. Wie kann es stattdessen aussehen?

Wer bewusst mit Kritik umgeht, der hält inne und entscheidet, welcher Umgang mit dieser speziellen Kritik angemessen ist. Dazu gehört auch die Frage: Welche Handlung ist für mich stimmig, weil sie meinen Werten entspricht?

Bewusst zu handeln heißt auch, bewusst wahrzunehmen, was die Situation gerade mit einem selbst macht und gegebenenfalls bewusst das übliche Reaktionsmuster zu unterbrechen. 

Wer agiert behält somit die Kontrolle. 

Lass uns die Vorteile von einem solchen Vorgehen genauer anschauen. 

Warum es vorteilhaft ist, zu agieren 

Menschen, die agieren, treffen bewusst eine Entscheidung, was sie tun. Dies vermittelt  zum einen das Gefühl, weiterhin selbst die Kontrolle zu haben. Selbstbewusst zu agieren, stärkt zum anderen das Gefühl selbstwirksam zu sein und wirkt daher gerade in herausfordernden Zeiten besonders stabilisierend.

Wer bewusst entscheidet, was er tut, der hat die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen, sowie Erfolgserlebnisse zu sammeln.

Zu agieren ist natürlich nicht immer „bequem„ und erst recht nicht leicht. Doch wer im Einklang mit seinen Werten agiert und gesteuert ist von einem starken Warum, der wird auch einen stimmigen Umgang mit Gegenwind finden.

Im Gegenzug heißt dies auch, dass es hilfreich ist, sich das eigene Warum und die eigenen Werte vor Augen zu führen, wenn es besonders herausfordernd ist. 

Abgesehen von äußeren Faktoren spielen jedoch noch andere Aspekte eine Rolle, die uns das Agieren erschweren.

Warum es so schwierig ist, den Autopilot auszuschalten und wie es dennoch gelingt

Wer schon einmal versucht hat ein Handlungsmuster zu verändern, der weiß, wie herausfordernd dies sein kann. Gerade wenn dieses Muster bereits seit Jahrzehnten besteht, dann ist es doch klar, dass nicht von einem Tag auf den anderen alles anders wird. Es gibt keinen Schalter, den es nur umzulegen gilt.

Den Autopilot auszuschalten, ist nicht so einfach. Das ist auch gar nicht so verwunderlich, wenn wir uns einmal vor Augen führen, wie unser Gehirn funktioniert.  

Wie bereits erwähnt, spart das Gehirn gerne Energie. Die Nervenverknüpfungen, die häufig genutzt werden, haben eine sehr geringe Reizschwelle. Wir können uns diese wie Nervenautobahnen vorstellen. Ein bestimmter Reiz löst somit leicht eine Reaktionskette auf dieser bestimmten Neuronenbahn aus.

Ein alternativer Weg müsste hingegen erst erneut angelegt werden. Es ist quasi so, als würde man über eine verwachsene Wiese einen Weg bahnen. Je häufiger diese Weg gewählt wird, desto deutlicher wird er. Es entsteht ein Trampelpfad, irgendwann quasi ein Feldweg, je mehr er genutzt wird dann auch eine geteerte Straße und auch diese kann sich zu einer Autobahn entwicklen, wenn dieser Weg viel genutzt wird.

Wer also die übliche Bahn verlassen möchte, der hat sich einen alternativen Weg zu suchen. Dies erfolgt durch bewusste Entscheidungen. Wer agiert, kann also Alternativen ausprobieren.

Dank der Neuroplastizität können wir bis ins hohe Alter unser Gehirn umformen und unseren Handlungsspielraum verändern. Der Hirnforscher Gerald Hüther verdeutlicht dabei immer wieder die Bedeutung von Emotionen. Wer begeistert bei der Sache ist, dem gelingt es deutlich schneller neue Nervenbahnen auszubauen und etwas zu lernen. „Begeisterung ist der Dünger fürs Hirn„, so Hüther.

Auf der anderen Seite können allerdings auch unangenehme Gefühle dazu führen, dass alte Muster an Wirkung verlieren. Man denke nur an jene Menschen, die nach einer traumatisierten Erfahrung möglicherweise auf einen Alltagsreiz ganz anders reagieren, weil dieser durch die einschneidende Erfahrung nun mit einer Gefahrensituation verknüpft ist.

Emotionen fördern also den Ausbau von Nervenbahnen im Gehirn. Wer sich dessen bewusst ist, kann zum einen möglicherweise besser nachvollziehen, warum er nach einer schlimmen Erfahrung anders reagiert als üblich. Zum anderen kann dieses Wissen bewusst genutzt werden, indem nämlich starke Gefühle das „Umlernen„ bzw. „Umlenken im Gehirn„ unterstützen.

Wer also bestimmte Reaktionen unterbrechen will, für den ist es zunächst wichtig zu erkennen:

Was gibt es für Auslöser, auf die ich mit dieser Reaktion reagiere? Welche Reize führen also zur Reaktion?

Und wie kann ich in solchen Momenten innehalten, tief durchatmen und eine bewusste Entscheidung treffen, wie es weitergeht?

Und wie fühle ich mich dabei?

Innezuhalten und dann bewusst eine Entscheidung zu treffen ist also der Schlüssel zum Agieren. 

Das wird voraussichtlich nicht immer gelingen und das ist auch okay. Kein Grund sich darüber zu ärgern. Denn selbst wer im Nachhinein erst das automatische Reagieren erkennt, der ist sich zumindest schon einmal dessen bewusst und kann so zukünftig voraussichtlich eher solche Situationen identifizieren. 

Es gibt übrigens einen Trick, wie eine Situation, die wieder zur üblichen Reaktion geführt hat, dennoch zukünftig eine alternative Handlung erleichtert. Wir können uns da unserer mentalen Vorstellungskraft bedienen. Und zwar hilft es, sich die Situation noch einmal sehr genau vorzustellen, sich also noch einmal hinein zu versetzen. Dabei können uns unsere Sinne und unsere Wahrnehmung unterstützen. Wo war es? Wer war anwesend? Wie hat es sich angefühlt? Was war zu hören? Wie hat es gerochen? Je lebendiger die Vorstellung wird, desto besser. 
Und dann kann das Ganze mental noch einmal durchgespielt werden – mit dem Unterschied, dass nicht wie üblich reagiert wird, sondern der Ausgang der Situation sich durch eigenes Handeln verändert.

Stelle Dir also die Frage: Wie hättest Du gerne reagiert? 

Eine besonders lebhafte Vorstellung verarbeitet das Gehirn genauso wie tatsächliche Geschehnisse. Und somit baust Du bewusst Deinen Handlungsspielraum aus.

Übung macht den Meister

Zu agieren statt zu reagieren ist ein lebenslanger Lernweg. Selbst wer jahrzehntelange Reaktionsmuster unterbrochen hat, der kann sich auch immer wieder neue Muster aneignen. Es ist also ein langfristiger Weg, der bewusst zu gehen ist.

Und dafür ist Geduld ebenso erforderlich, wie ein liebevoller und respektvollen Umgang mit sich selbst. Denn es bringt überhaupt nichts, sich selbst dafür zu bestrafen, wenn man sich beim alten Reaktionsmuster ertappt. Übrigens, ein spannendes Muster, nicht wahr? ;-)

Wenn Du Lust hast, dann beobachte doch einmal, wie oft Du tatsächlich bewusst entscheidest, was Du als nächstes tun wirst. Und nicht jede Reaktion ist natürlich zu hinterfragen. Es ist gut, den Gang zur Toilette mit Spülen und Händewaschen zu beenden. Und wenn Du da wie ich tickst auch noch den Deckel zu schließen ;-)  

Doch sicherlich findest Du auch Automatismen, die Du gerne unterbrechen möchtest. Viel Erfolg und Kreativität wünsche ich Dir dabei!

Vor allem wünsche ich Dir den nötigen Mut, Deine Handlungen bewusst zu wählen und in die Tat umzusetzen! Mögest Du stets Dein Steuer in der Hand behalten!

Alles Liebe

Chris

Bild: Pixabay

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